Ethische Grundsätze für die bildungswissenschaftliche Forschung der ÖFEB

*Die Basis der ethischen Grundsätze der ÖFEB bilden – neben Überlegungen des Vorstandes der ÖFEB – die Grundsätze zum ethischen Handeln in den Bildungswissenschaften der American Educational Research Assoziation (AERA), der British Educational Research Assoziation (BERA), der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGFE), der Scottish Educational Research Assoziation (SERA), einige Grundsätze der United Nations (UN), die Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie die Richtlinien der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität zur Guten Wissenschaftlichen Praxis (OeAWI).

Präambel

Die ethischen Grundsätze der Österreichischen Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (ÖFEB) verstehen sich als Standards guter wissenschaftlicher Praxis in allen methodischen Zugängen der Bildungsforschung. Da es das fundamentale ethische Anliegen von Bildung und Erziehung ist, die positive Entwicklung von Individuen, Gruppen und Gesellschaften zu fördern, sind auch für die Bildungswissenschaft ethische Überlegungen zentral. Die ethischen Grundsätze sollen die Qualität der Bildungsforschung im weitesten Sinne fördern, für den Schutz von Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern [1] bildungswissenschaftlicher Forschung sorgen sowie sicherstellen, dass die Mitglieder der ÖFEB ihr Möglichstes tun, die Integrität ihrer eigenen Forschung, der bildungswissenschaftlichen Forschungsgemeinschaft und aller Kooperationspartner und -partnerinnen zu wahren. Um die Ziele der ethischen Grundsätze umzusetzen, verpflichten sich alle ÖFEB-Mitglieder, die eigenen Forschungsaktivitäten nach diesen Richtlinien auszurichten und die eigene Forschung stets kritisch auf der Basis dieser Richtlinien zu reflektieren.

§1 Forschung

  1. Integrität und Suche nach wahrem Wissen sind Kennzeichen guter Forschung. Die ÖFEB-Mitglieder orientieren sich in der Ausübung ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit an diesen Werten und verpflichten sich, höchstmögliche Standards in Forschung, Lehre und beruflicher Praxis anzulegen.
  2. In ihrer Rolle als Forschende, Lehrende und in der Praxis Tätige sind sich ÖFEB-Mitglieder ihrer besonderen gesellschaftlichen Verantwortung bewusst, da ihre Empfehlungen, Entscheidungen und Aussagen das Leben ihrer Mitmenschen beeinflussen können.
  3. Die Mitglieder der ÖFEB achten den Grundsatz der inhaltlichen und methodischen sowie metatheoretischen Transparenz ihrer Arbeit und legen bei Forschungen ihre Auftraggeber und Finanzierungsquellen offen.
  4. Die ÖFEB-Mitglieder nehmen keine Zuwendungen, Verträge oder Forschungsaufträge an, die ihre wissenschaftliche Unabhängigkeit und die Ergebnisoffenheit der Forschung einschränken und die in diesem Kodex festgehaltenen Prinzipien verletzen.
  5. Die ÖFEB-Mitglieder kommunizieren auf der Basis der verwendeten Methoden, Theorien und erkenntnistheoretischen Grundlagen ihrer Forschung, inwiefern ihre Datenbasis und ihre daraus gewonnenen Erkenntnisse den Gütekriterien der Forschung entsprechen und gegebenenfalls verallgemeinerbar sind.
  6. Die Beziehung zwischen Forscherinnen und Forschern sowie Sponsorinnen und Sponsoren und Auftraggeberinnen und Auftraggebern ist vertraglich zu regeln. Das betrifft Ziele und Methoden der Forschung, die Bedingungen des Feldzuganges, den Datenbesitz und die Publikationsrechte, Angaben über das Berichtswesen und das Finanzgebaren. Sponsoren und Sponsorinnen sowie Auftraggebern und Auftraggeberinnen von Forschung sind diese Richtlinien der ÖFEB bekannt zu machen.

§2 Publikationen

  1. ÖFEB-Mitglieder machen ihre Forschungsergebnisse in geeigneter Weise öffentlich zugänglich.
  2. Alle Personen, die maßgeblich zu einem Forschungsergebnis und zu seiner Publikation beigetragen haben, sind namentlich zu nennen. Insbesondere in hierarchischen Arbeitsbeziehungen ist darauf zu achten, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fair und angemessen bei Publikationen genannt werden.
  3. Die Bildungsforscherinnen und -forscher berichten die theoretischen Grundlagen, den Ablauf der Forschung sowie die Ergebnisse und Analysen mit großer Sorgfalt und ausreichender Detailliertheit, sodass sachkundige Kolleginnen und Kollegen sie verstehen und interpretieren können.
  4. Veröffentlichungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden so verfasst, dass die (praktische) Relevanz sowie die Beschränkungen der Forschungsergebnisse hinsichtlich Wirkung und Generalisierbarkeit auf Situationen, Probleme und Kontexte aufgezeigt werden. Publikationen, die sich primär an Nichtwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler richten („science to practice“ oder „science to public“), sind so zu verfassen, dass Missinterpretationen praktischer und politischer Implikationen ihrer Forschungen und der Forschungen anderer vorgebeugt wird.

§3 Umgang mit Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern

  1. Die ÖFEB erwartet von allen Bildungsforscherinnen und -forschern, nicht nur jegliche Art der Diskriminierung zu unterlassen, sondern einer solchen auch entgegenzutreten sowie allen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern mit persönlichem Respekt zu begegnen.
  2. Forscherinnen und Forscher haben bei der Planung und Durchführung ihrer Forschungen besondere Rücksicht auf die Rechte von Kindern, ungeschützten jungen Menschen und Erwachsenen zu nehmen. Die vertrauliche bzw. anonyme Behandlung der erhobenen Daten wird gewährleistet. Sollte aus forschungstechnischen Gründen die Anonymität aufgehoben werden, so ist das Einverständnis der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer einzuholen.  Für eine sichere Speicherung bzw. Verwahrung der Forschungsdaten ist zu sorgen.
  3. Die am Forschungsprozess beteiligten Personen sind darüber aufzuklären, was das Ziel der Forschung ist, wie die erhobenen Daten gewonnen, verarbeitet und veröffentlicht werden und wer Zugang zu den Ergebnissen erhält. Die Zustimmung zur Teilnahme an der Forschung darf nicht erzwungen werden.
  4. Wenn Forscherinnen und Forscher aus methodischen Gründen die konkreten Forschungsziele intransparent halten und/oder ihre Forschung verdeckt durchführen müssen, ist dies sorgfältig abzuwägen und genau zu begründen. Bei der Durchführung solcher Forschungen ist die Zustimmung der zuständigen Stelle der Institution der Forscherin bzw. des Forschers bzw. anderer relevanter Institutionen einzuholen.
  5. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen dafür sorgen, dass emotionale oder andere Stressoren so weit wie möglich reduziert werden und sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer möglichst wohl fühlen. Die Dauer der wissenschaftlichen Untersuchungen und die Belastungen für die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer sind angemessen zu wählen
  6. Es entspricht guter Forschungspraxis, die Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer über die wesentlichen Ergebnisse der Forschung in zusammengefasster und aggregierter Form zu informieren

§4 Gutachten und Rezensionen

  1. Werden ÖFEB-Mitglieder um Beurteilungen von Personen, Manuskripten, Forschungsanträgen, anderen Arbeiten oder um Sachexpertisen gebeten, so sind diese im Fall von Interessenkonflikten abzulehnen.
  2. Begutachtungen, die im Zusammenhang mit Personalentscheidungen stehen, werden von allen Beteiligten vertraulich behandelt und folgen dem Grundsatz höchstmöglicher Objektivität, Sorgfalt und Fairness und werden in einem angemessenen Zeitraum erstellt.

§5 Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Studierenden sowie Praktikerinnen und Praktikern

  1. ÖFEB-Mitglieder, die Lehraufgaben wahrnehmen, verpflichten sich, dies in hoher Qualität zu tun und für eine gute Ausbildung der Studierenden Sorge zu tragen.
  2. ÖFEB-Mitglieder bemühen sich bei Einstellungen, Entlassungen, Beurteilungen, Beförderungen, Gehaltsfestsetzungen und anderen Fragen des Anstellungsverhältnisses sowie bei Berufungs- und Kooperationsentscheidungen um Objektivität und Gerechtigkeit.
  3. ÖFEB-Mitglieder schützen die Rechte und Interessen ihrer Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Sie nutzen Leistungen anderer nicht zu ihrem eigenen Vorteil und verwerten deren Arbeit nicht undeklariert.
  4. ÖFEB-Mitglieder erzwingen von niemandem, insbesondere von Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern, Auftraggeberinnen und Auftraggebern, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Studierenden, persönliches Entgegenkommen oder einen persönlichen bzw. beruflichen Vorteil.

§6 Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses

Die Förderung wissenschaftlichen Nachwuchses ist ein zentrales Anliegen der ÖFEB und ihrer Mitglieder. Die ÖFEB-Mitglieder fördern den wissenschaftlichen Nachwuchs etwa durch eine gewissenhafte und zielorientierte Betreuung bei Qualifizierungsarbeiten, durch die Unterstützung bei Publikationen oder durch die Ermöglichung von Kongressbesuchen, durch die aktive Partizipation in wissenschaftlichen Netzwerken und Fachgesellschaften.

Inkrafttreten

Die ethischen Grundsätze für die bildungswissenschaftliche Forschung der ÖFEB treten nach Beschluss bei der Vollversammlung am 21. September 2017 in Kraft und werden auf der Homepage der ÖFEB sowie in der Zeitschrift für Bildungsforschung veröffentlicht.

Quellen

AERA (2000). Ethical Standards of AERA. American Educational Research Association. http://www.aera.net/about/policy/ethics.htm

 

BERA (2011). Revised Ethical Guidelines for Educational Research. Southwell: British Educational Research Association. https://www.bera.ac.uk/wp-content/uploads/2014/02/BERA-Ethical-Guidelines-2011.pdf

 

Deutsche Forschungsgemeinschaft (2013). Vorschläge zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis. Denkschrift. Weinheim: WILEY-VCH.

 

DGfE (o.J.). Ethikkodex der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. http://www.dgfe.de/service/ethik-rat-ethikkodex.html

 

OeAWI (2016). Richtlinien der Österreichischen Agentur für wissenschaftliche Integrität zur Guten Wissenschaftlichen Praxis (GWP-Richtlinien der OeAWI). http://www.oeawi.at/downloads/GWP-Richtlinien%20Web.pdf

 

SERA (2005). Ethical Guidelines for Educational Research. http://www.sera.ac.uk/documents/Publications/SERA%20Ethical%20GuidelinesWeb.PDF

 

UN (o.J.). Charta der Vereinten Nationen. www.unric.org/de/charta

[1] Unter Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer werden im Folgenden Personen bezeichnet, von denen Daten in Forschungsprozessen erhoben werden. Der Begriff Proband bzw. Probandin wurde bewusst nicht gewählt, da er mit einer bestimmten forschungsmethodologischen und forschungsmethodischen Ausrichtung in Verbindung gebracht wird.