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Modelle und Anwendungen augmentierter und virtueller Wirklichkeiten haben Konjunktur: Sie begegnen uns als Apps auf Smartphones, als Avatare und assistive Technologien sowie in Form von virtuellen Gemeinschaften, Klangwelten, Organisationen, Operationsräumen, Spielen und Produkten aller Art. Paradox ist hierbei einerseits, dass in vielen Lebensbereichen die informations- und kommunikationstechnologischen Bedingungen von Prozessen der Medialisierung, Mediatisierung und Normalisierung so sehr in den Hintergrund treten, dass alternative Entwicklungsoptionen kaum mehr denkbar scheinen. Andererseits können die pragmatischen Motive des Routinehandelns, der medialen Bequemlichkeit oder der Monetarisierbarkeit über ein verbreitetes Unbehagen in den Medienkulturen der Digitalität nicht hinwegtäuschen.
Digitale Technologien der Erweiterung, Anreicherung und Virtualisierung werden zunehmend auch in Lern- und Bildungskontexten erprobt und entwickelt. Das Spektrum reicht dabei von der frühen Medienbildung bis zur Virtuellen Hochschule, vom betrieblichen Workplace Learning bis zum Einsatz fotorealistischer 3D-Replica der eigenen Person in beziehungsökologischen Kontexten. Ähnlich wie im Zusammenhang grundlegender historischer Medienumbrüche sind auch hier euphorische und skeptische Perspektiven auszumachen.
Zentrale Fragen in diesem Zusammenhang sind: Welche Bedeutung kann augmentierten und virtuellen Wirklichkeiten in Bildungskontexten zukommen? Wie verhalten sich Dynamiken der Technisierung von Bildungs- und Wissensräumen zu Tendenzen der Normalisierung und Naturalisierung medialer Nutzungszusammenhänge? Inwiefern lassen sich Lernpotenziale und Bildungswerte in den Netzen virtueller Infrastrukturen und in den Repertoires medienkultureller Praktiken ausmachen? Welche epistemologischen und normativen Aspekte von ‚Realität‘, ‚Wirklichkeit‘, ‚Möglichkeit‘, ‚Potentialität‘, ‚Digitalität‘ und ‚Virtualität‘ sind in diesem Zusammenhang relevant? Wie verhalten sich diese zueinander? Welche begrifflichen Auffassungen sind hilfreich im Hinblick auf zukunftsoffene Beschreibungen und Zielbilder? Welche Akzentverschiebungen im Spannungsfeld der Erfahrung medialisierter Wirklichkeiten und medialer Wirklichkeiten der Erfahrung zeichnen sich ab? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Beschreibung, Analyse und Gestaltung von Bildungs-, Lern- und Wissensprozessen?